Reibungskoeffizient beim Einziehen von Kabeln – Grenzwerte des Seitenwanddrucks
Der Seitenwanddruck ist der (rechtwinklige) Normaldruck, der auf ein Kabel einwirkt, wenn es um eine Rohrkrümmung gezogen wird. Hier werden die Berechnung und die Grenzwerte des Seitenwanddrucks beschrieben.
Qualitative Beschreibung des Seitenwanddrucks
Nach der Definition der Reibung rührt die Normalkraft, die sich durch den Reibungswiderstand auf eine Bewegung ergibt, vom Gewicht des Objekts her (Gegenvektor). Beim Einziehen von Kabeln in einen geraden Rohrabschnitt entspricht die Normalkraft auch dem Gewicht des Kabels. Bei einer Steigung bzw. einem Gefälle ist die Normalkraft die gerichtete (vektorielle) Schwerkraft bzw. das Gewicht. Wird das Kabel jedoch um eine Rohrkrümmung gezogen, ist die Normalkraft, die manchmal auch als „Seitenwanddruck“ bezeichnet wird, größer als das Gewicht des Kabels. Sie beinhaltet dann auch die Radialkraft des Kabels, das in die Krümmung oder Biegung des Rohrs eingezogen wird. Diese Kraft entsteht durch die Zugspannung und erhöht sich mit zunehmender Zugspannung.
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Warum ist der Seitenwanddruck wichtig?
Der Seitenwanddruck stellt eine Druckbelastung des Kabels dar. Durch diese Belastung können Kabel beschädigt werden. Von Mittel- und Hochspannungskabeln ist bekannt, dass ein zu hoher Seitenwanddruck die Isolierung beeinträchtigt und das so genannte „Treeing“ („Bäumchenbildung“) in der Isolierung beschleunigt. Dadurch wird die Lebensdauer des Kabels verkürzt. Der Seitenwanddruck kann Metall- und Folienabschirmungen von Kabeln verformen. Bei Installationskabeln kann durch hohe Seitenwanddrücke um Krümmungen der Kabelmantel zerrissen und dadurch der Leiter freigelegt werden. Selbst von Glasfaserkabeln ist bekannt, dass der Seitenwanddruck die Glasfasern zerquetschen kann. Dies führt zu Haarrissbildung und Signalverlust.
Seitenwanddruck – Definition und Grenzwerte
Um diese potenziellen Schäden zu vermeiden, legen Kabelhersteller Grenzwerte für den Seitenwanddruck ihrer Kabel fest. Diese Grenzwerte hängen von der Art und vom Aufbau des Kabels ab. Die Grenzwerte müssen unbedingt eingehalten werden, um die maximale Leistung und Lebensdauer des Kabels zu gewährleisten.
Der Begriff Seitenwanddruck und dessen Berechnung werden vor allem in der Elektroinstallationsbranche verwendet. Im Prinzip handelt es sich dabei um die Zugspannung am Ende einer Krümmung, die durch den Biegeradius geteilt wird. Typische Grenzwerte für den Seitenwanddruck von elektrischen Kabeln sind 4,4 bis 14,6 kN/m.
Bei manchen Kabeltypen werden die Grenzwerte für den Seitenwanddruck über die Beschränkung des Biegeradius geregelt. Hersteller von Glasfaserkabeln legen die Grenzwerte für den Biegeradius auf der Basis des Kabeldurchmessers fest. Eine typische Beschränkung beim Einziehen von Glasfaserkabeln ist der Biegeradius, der über dem 20- bis 40-fachen des Kabelaußendurchmessers liegt. Bei Glasfaserkabeln wird der Seitenwanddruck zwar normalerweise nicht bestimmt, jedoch ist hier interessant, dass sich bei einer maximalen Zugspannung von 2,7 kN mit den oben genannten Grenzwerten für den Radius Grenzwerte von 5,3 bis 10,6 kN/m für den Seitenwanddruck ergeben – in der gleichen Größenordnung wie bei elektrischen Kabeln!
Die Hersteller von Glasfaserkabeln regeln den Seitenwanddruck dadurch, dass sie Kabelrollen mit großem Radius empfehlen. Für Leistungskabel werden Grenzwerte für den Seitenwanddruck sowie ein typischer Mindestradius der Kabelrolle von 3,17 cm empfohlen.
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Messung und Regelung des Seitenwanddrucks
Kleine Unterschiede beim Reibungskoeffizienten haben, wie in Artikel 3 dieser Serie erläutert, einen großen Einfluss auf die Spannung in Krümmungen. Da die Spannung durch die stärkere Reibung erhöht wird, erhöht sich auch der Seitenwanddruck. Wenn der Biegeradius verkleinert wird, erhöht sich ebenfalls der Seitenwanddruck. Krümmungen mit kleinem Radius können ein echtes Problem darstellen, wenn man versucht, den Seitenwanddruck zu minimieren.
Der Seitenwanddruck ist direkt proportional zur Spannung am Ende der Krümmung und umgekehrt proportional zum Radius der Krümmung. Er hängt auch von der Anzahl der Kabel ab, die eingezogen werden, der Konfiguration dieser Kabel sowie dem daraus resultierenden Gewichts-Korrekturfaktor.
Gleichungen für den Seitenwanddruck: | |
1 Kabel | SP = Tout / R |
2 Kabel | SP = (w/2) * Tout / R |
3 Kabel (wiegenförmig) | SP = (3w−2)/3 * Tout / R |
3 Kabel (Dreieck) | SP = (w/2) * Tout / R |
4 oder mehr Kabel | SP = (w/2) * Tout / R |
Wobei: | |
SP = Seitenwanddruck | |
Tout = Spannung am Ende der Krümmung (kg, kN) | |
R = Radius der Krümmung (Meter) | |
w = Gewichts-Korrekturfaktor (dimensionslos) |
Daraus kann man ersehen, dass der Seitenwanddruck anhand der Zugspannung am Ende der Krümmung berechnet wird. Er trägt nicht zur Zugspannung bei, sondern ergibt sich aus der Zugspannung. Der Seitenwanddruck ist nicht additiv und normalerweise nicht an allen Krümmungen gleich. Der Seitenwanddruck kann durch Reduzieren der Zugspannung oder einen größeren Biegeradius verringert werden. Der höchste Seitenwanddruck liegt nicht immer in der letzten Krümmung des Rohrabschnitts vor. Die Regelung des Seitenwanddrucks ist sehr wichtig, damit die Grenzwerte des Kabelherstellers eingehalten werden.
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Seitenwanddruck und Reibungskoeffizient
Untersuchungen der Kabelreibung haben ergeben, dass bei höheren Seitenwanddrücken der Reibungskoeffizient geringer ist. In einer Studie des EPRI (Electric Power Research Institute) aus dem Jahr 1984 (Quellenangabe 1) wird vorgeschlagen, zwei Werte für den Reibungskoeffizienten zu verwenden: einen höheren Wert für Seitenwanddrücke unter 2,2 kN/m und einen niedrigeren Wert für Seitenwanddrücke darüber. In der Praxis ist das etwas komplizierter.
Nach unseren Untersuchungen verringert sich im Allgemeinen der Reibungskoeffizient, wenn der Seitenwanddruck erhöht wird. Dies gilt vor allem für niedrigere Seitenwanddrücke (<0,3 kN/m). Sehen Sie sich zur genaueren Erläuterung das nachfolgende Diagramm an.
Diese Daten werden ermittelt, indem man die Endlast auf ein Kabel, das durch eine Reihe von Krümmungen eingezogen wird, erhöht, die Zugspannung misst und dann den Reibungskoeffizienten anhand der Kabelzug-Gleichungen berechnet. Im Diagramm wird nicht angezeigt, dass sich die Spannung verringert, wenn die Endlast erhöht wird. Das ist auch nicht der Fall. Doch die Spannung erhöht sich auch nicht in dem Maß, das wir bei einem konstanten Reibungskoeffizienten erwarten würden.
Das ist kein intuitives Ergebnis. Unsere Untersuchungen haben auch ergeben, dass die Kurve bei Seitenwanddrücken über ca. 1,5 kN/m relativ horizontal verläuft, und dass bei zunehmendem Seitenwanddruck keine erheblichen Auswirkungen auf den Reibungskoeffizienten mehr festzustellen sind. Die Reibungskoeffizienten bei hohen Seitenwanddrücken sind niedriger als die Reibungskoeffizienten, die beim Einziehen von Kabeln in gerade Rohrabschnitte gemessen werden. Die Verwendung des Reibungskoeffizienten für gerade Rohrabschnitte bei der Berechnung ist somit ein angemessener und vorsichtiger Ansatz.
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Wir können auch Unterschiede bei der Leistung verschiedener Schmiermittel bei hohem Seitenwanddruck messen. Hochwertige Kabelschmiermittel sind so ausgelegt, dass sie auch bei hohem Seitenwanddruck zwischen den Kabel- und Rohroberflächen weiter benetzen. Das Thema Benetzung und Beschichtung mit Schmiermitteln wird in einem separaten Artikel behandelt.